Psychologie, Selbsthilfe und Persönlichkeitsentwicklung


Die Angst jemanden anzusprechen

Das Thema Annäherung an eine Frau oder einen Mann, die als potenzielle Partner in Betracht kommen, hat bereits etliche Bücher gefüllt – und zugleich gibt es ein paar wesentliche und oft nicht bedachte Faktoren sowie häufig anzutreffende Fehlschlüsse in diesem wichtigen Thema. Und es betrifft nicht nur Partnersuche, sondern dieser Beitrag kann Dir auch im Alltag helfen, wenn Du Probleme dabei hast, einen Menschen anzusprechen.

Inhalt:

  1. Woran bemerkst Du, dass Du unsicher bist?
  2. Es können vielfältige Ängste sein:
  3. Das Gefälle zwischen Ich und Du
    1. Die Exklusivität
    2. Die Idealisierung
    3. Den Retter suchen – den Helfer aus der Not
    4. Die Manipulation an Dir selbst
    5. Wenn ein Aufschauen getarnt ist hinter Macht und Persönlichkeitsentwicklung
    6. Der Bruch zwischen Selbstbild und Idealbild
  4. Scheitern verhindern – wenn es nichts mehr gibt, woran Du scheitern könntest
  5. Präsenz


Die Suche nach Antworten…

Häufige Fragen zum Thema, auf die in diesem Beitrag eingegangen wird:

  • Warum haben so viele Menschen Ängste und Hemmungen, andere anzusprechen? – in Beziehungsangelegenheiten wie auch in Alltagsfragen?
  • Warum haben manche Menschen so große Angst und Schmerz dabei, wenn sie „einen Korb bekommen“ (wenn sie mit ihren Avancen auf Ablehnung und Nein stoßen)? – Und wieso scheint das anderen nichts auszumachen? Was können wir von denen lernen?
  • Warum haben die meisten einen riesigen Stress dabei, der weit über ein Verliebtsein oder neugierige Aufregung hinausgeht, wenn sie jemandem in einem Date begegnen?
  • Warum gibt es das Muster, eine andere Person erstmal eine Weile abzuchecken, ob er oder sie wirklich passt bzw. sie vorab aus der Ferne erstmal eine längere Zeit zu beobachten, ohne dass sie das mitbekommt – um abzuwägen, ob es Erfolg verspricht bzw. ob die Aussicht da ist, dass es nicht mit einem Flopp oder Korb endet…?
  • Warum müssen sich viele Menschen sehr krampfhaft „absichern“ in allem, was sie tun?
  • Wie kann man zu mehr Leichtigkeit und Selbstsicherheit finden?


Angst kommt immer durch Unsicherheit – aber woher kommt die Un-Sicherheit?

Der Versuch, sich absichern zu wollen, entsteht allgemein gesprochen immer durch Angst – und diese gründet auf mangelnder Sicherheit. Viele Menschen können diese Angst aber noch nicht bewusst wahrnehmen oder sie könneb es sich noch nicht eingestehen, weil gerade für Männer es in unserer Gesellschaft noch immer gang und gäbe ist, nicht „schwach“ oder „ängstlich“ sein zu wollen, um einem Männerbild gerecht zu werden, das ausschließlich Stärke repräsentiert. Angst jedoch ist so menschlich und natürlich wie die Vorsicht mit Feuer uvm. Sie ist dienlich – und zwar in JEDEM Falle. Im einen Fall ist sie ein reales Gefühl und fußt auf einer real bedrohlichen oder gefährlichen Situation, die äußersten Bedacht fordert – und im anderen Fall ist sie uns sehr hilfreich auf dem Weg, die Ursache zu ergründen, was es noch braucht, um Sicherheit herzustellen, damit die Angst nicht mehr Not-wendig wird.

Aber sprechen wir hier lieber von Unsicherheit, diese liegt der Angst ja zugrunde und kann deutlich friedlicher und angenehmer akzeptiert werden.

Wozu führt Unsicherheit im sozialen Kontakt?

Woran bemerkst Du, dass Du unsicher bist?

Wie bemerkst Du, dass Du im Ansprechen eines potenziellen Partners/ einer potenziellen Partnerin Unsicherheiten hast? Beispielhafte Verhaltensmuster von unsicheren Menschen:

  • Du willst eine Person erst einmal aus der Ferne abchecken, bevor Du sie ansprichst – und meist bekommt diese Person dieses Abchecken nicht mit
  • Du machst Dich vor einem Date oder einer Begegnungssituation mit dem potenziellen Partner(in) innerlich total fertig und bist sehr gestresst
  • Du errötest schnell in einem persönlichen Gespräch
  • Du übst zig mal Sätze, die Du sagen kannst und schreibst Dir quasi ein „Skript“, wie die Situation ablaufen kann oder wie Du sprechen möchtest
  • Du versuchst eine Rolle zu spielen, die zu dem Bild passt, das Du von Dir zeichnen möchtest, um attraktiv empfunden zu werden und eine „Chance“ zu haben bei der Person
  • Du belegst bereits das dritte „Beziehungscoaching“ oder Training als Mann oder als Frau – und liest noch immer weitere Ratgeber, ziehst Dir etliche Youtube-Videos dazu rein …und fühlst Dich dennoch in der Realität oft noch unsicher oder vergisst auf einmal vor lauter Aufregung alle Verhaltens-Regeln und zurechtgelegten Sätze, um die Frau oder den Mann rumzukriegen…
  • Du spürst, dass Du Angst hast in sozialen Situationen, die mit Beziehung und Kontakt im weitesten Sinne etwas zu tun haben
  • uvm.

Welche Ängste können dahinter stecken?

Es können vielfältige Ängste sein:

Hier zum Beispiel:

Die Angst zu versagen/ als Looser dazustehen/ also Peinlichkeit und Scham zu erleiden.

Die Angst allein zu bleiben/ die Einsamkeit nicht beenden zu können/ also Traurigkeit und Verzweiflung zu erleben.

Die Angst vor Hilflosigkeit und Ohnmacht, die generell entsteht, wenn man etwas nicht schafft, was man wollte oder wenn man nicht sein oder sich so verhalten konnte, wie man wollte (also wenn man die Rolle oder Identität nicht so ausfüllen und leben kann, wie man es gern würde)

usw.

Jede dieser Ängste kann aufgrund von Trauma, bereits erlebtem Mobbing oder genereller Selbstunsicherheit entstehen (das muss selbstverständlich individuell herausgearbeitet werden) – aber etwas haben sie alle gemeinsam, auf das wir zuerst eingehen wollen: All diese Ängste entstehen viel schneller und wachsen oft erst dadurch zum blockierenden Hemmfaktor heran, wenn es ein Gefälle gibt zwischen Dir und dem anderen – und wenn dieses Gefälle bedeutet, dass der ANDERE höher steht als man selbst.

Und dieses Gefälle wiederum kann sich in mehreren Dimensionen zeigen, auf die ich in den nachfolgenden Kapiteln genauer eingehen und sie erläutern werde.

Das Gefälle zwischen Ich und Du

Die Exklusivität

Immer wenn Du zu jemandem aufschaust – wenn Du jemanden „für dich gewinnen“ möchtest – wenn Du im Grunde etwas von jemandem haben möchtest (und sei es nur erstmal Aufmerksamkeit und ein Gespräch und die Sicherheit, dass er/sie dich nicht direkt abweist) – dann eröffnest Du ein Gefälle. Du selbst bist unten und schaust nach oben zu jemandem, von dem Du etwas haben willst.

An sich sind wir immer abhängig von anderen Menschen, gerade wenn es um das natürliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Angenommensein und nach Partnerschaft bzw. körperlicher Nähe (im weitesten Sinne!) geht.

Aber zu einem Gefälle und einem Hemmfaktor wird es dadurch, weil es diese eine Person da gerade ist, die Du dafür ausgesucht hast. Du magst nicht alle zehn Frauen im Club, die in Deinem Alter sind, sondern diese eine, bei der Du spürst, dass die „Wellenlänge“ stimmt, von der Du dich angezogen fühlst und die Dir auch charakterlich gefallen würde („…zumindest gäbe es diese Option, die noch bestätigt werden müsste. Dafür müsste man sie aber ansprechen… und im besten Fall eine Weile mit ihr sprechen dürfen und nicht direkt eine Abfuhr bekommen… dafür müsste man sich aber trauen, sie anzusprechen… Wie am besten? Ich will ja auch nicht schüchtern und unattraktiv wirken…“)

Und an diesen Formulierungen, welche in der Realität so oder so ähnlich vielen Betroffenen durch den Kopf gehen, siehst Du bereits, wo EINES der Probleme liegt (es gibt einige, die wie ein Uhrwerk ineinander greifen und die ich dir im Laufe dieses Artikels noch vorstellen möchte): Die Exklusivität.

Es ist DIESER EINE Mensch, den Du nach dem Weg fragen, den Du im Café ansprechen, den Du nach Hilfe fragen oder den Du zu einem Date einladen möchtest. Der Fokus ist natürlicherweise auf diesen Menschen gerichtet, von dem man ausgeht, dass er zum eigenen jeweiligen Bedürfnis passt – und somit ist es aber ein Tunnelblick, alle anderen Menschen drum herum, die potenziell AUCH und möglicherweise GENAUSO GUT oder gar noch BESSER helfen oder passen könnten… werden ausgeblendet.

Du schaust durch ein Fernrohr – und der Rest der Welt liegt im Dunkeln. Und das Problem dabei ist, dass dein Gehirn dann denkt, dass es sein Bedürfnis, das da gerade gestillt werden möchte – WENN ES NICHT VON DIESEM EINEN MENSCHEN GESTILLT WIRD, dann NIEMANDEN anderes mehr hat, der auch erreichbar in Frage käme und da wäre, zu helfen oder ein interessanter Partner zu werden.

Es ist total logisch, dass ein Hirn, das nur Informationen eines ganz kleinen Wirklichkeitsausschnittes bekommt, Panik schiebt, wenn es dort in diesem Ausschnitt, der ihm zugänglich ist, nichts und niemanden findet – oder gar abgelehnt wird, damit seelische Schläge erfährt und es dann „für immer allein“ bleiben muss, weil die Chance verspielt ist…

Dies ist kein Lächerlich-Machen über Menschen, denen es so geht, sondern ich zeige hiermit möglichst bildhaft auf, was an Angst und Durcheinander im Gehirn eines Menschen entstehen kann, der gerade noch keinen anderen Weg sieht, damit umzugehen – damit der Mechanismus verstehbar und nachvollziehbar wird. Und damit aus Verständnis (Selbst-)Mitgefühl erwachsen kann.

Es fehlt einfach noch an Sicherheit und an den Möglichkeiten zu erfahren, wie die Welt noch sein könnte.

Die Idealisierung

Es gibt einen weiteren Faktor, der nun folgt, wenn Du jemand bist, der andere zuvor gern „abcheckt“ (und der manchmal aus der Checking-Phase kaum mehr raus kommt… oder der nächste Schritt dann extrem schwer ist…): der andere ist leider über die Zeit hinweg in Dir zu einem Genie und idealisierten Helden/ einer absoluten Traumfrau oder unnahbarem Typen geworden. Dies kann ganz offensichtlich geschehen und sich in Tagträumereien oder Schwärmerei zeigen – oder ganz subtil, so subtil, dass Du es kaum bemerkst – vielleicht auch weil Deine Ratio zugleich vorgibt, den anderen „ganz realistisch“ einzuschätzen und auch seine Fehler zu sehen, „die ihn erst liebenswert machen“. Blabla… Der Kopf ist oft ein guter Redner… 😉

Aber das Gefühl ist dennoch da und spricht im entscheidenden Moment das Gegenteil…

Sei also ehrlich zu Dir selbst, versuche ausfindig zu machen, was du da wirklich in Dir denkst, auch wenn solche Gedanken „heimlich“ bleiben sollen oder „peinlich“ wären. Der erste Schritt zu einer wahren inneren Größe liegt darin, zu seinen Schwächen zu stehen: und eine Frau oder einen Mann absolut begehrenswert zu finden, ist prinzipiell erst einmal nichts Verwerfliches.

Aber wie Du damit umgehst – und v.a. wie Du dich demgegenüber positionierst, spielt eine entscheidende Rolle. Denn wenn Du die Idealisierung einer Verliebtheit nicht erkennst, kann es schnell passieren, dass der andere UNREALISTISCH verzerrt einseitig wahrgenommen wird – und er wie ein goldener Engel am Himmel glänzt (oder wie ein kühner Ritter auf seinem weißen Pferd… oder welches Bild dir am besten gefällt J)

Denn den meisten geht es so, dass diese Idealisierung recht subtil abläuft und dann ein Gefälle erzeugt wird in Dir von: SIE (oder ER) oben… und ich unten. SIE (ER) perfekt – und ich… unperfekt… nicht würdig genug… „wenn sie sehen würde, wie ich wirklich bin…“ – Hier kann es richtig brutal werden in Dir. Selbstabwertung, Selbsthass oder das Gefühl, es eigentlich gar nicht verdient zu haben, sind ein paar Extrembeispiele, die den Keil zwischen Dich und die andere Person treiben – manchmal noch bevor ihr auch nur 1 Wort miteinander gesprochen habt.

Das ist sehr fatal und es ist wichtig, dass wir erkennen, warum wir so handeln und woher diese Ängste in uns kommen, die so groß sind, dass sie unser Handeln und Denken bestimmen.

Den Retter suchen – den Helfer aus der Not

Ähnlich zur (heimlichen) Idealisierung und einem innerlichen Aufschauen zu der auserwählten Person ist auch die Suche nach einem Retter.

Viele Menschen, gerade wenn die Grundbedürfnisse bereits sehr lange und zu lange blank liegen – oder wenn sie im Leben nur am Rudern sind und keinen wirklichen Halt haben, sehnen sich nach einem anderen, der ihnen endlich hilft. Der diese (Seelen-)Qual endlich beendet. Der vielleicht der Inbegriff von Held ist… vielleicht der starke Mann, der einen vor der Bedrohlichkeit der Welt schützen kann… Vielleicht eine als Psychologin arbeitende Frau, die dann wirklich sehr bewusst und endlich mal wertschätzend mit einem umgeht… Vielleicht der Selbstständige mit dem gut gefüllten Bankkonto, mit dem ich endlich nicht mehr mit den alten kaputten Schuhen und der kleinen Singlewohnung leben muss…

Es gibt viele Möglichkeiten und viele Kriterien, seinen Retter zu suchen. Und es gibt hierfür viele Ursachen.

Natürlich dürfen wir voneinander profitieren, lernen, uns gegenseitig in unserer Entwicklung begleiten und unser Leben gegenseitig bereichern in einer Freundschaft und Partnerschaft. Aber wenn alle Bedürfnisse mit einer einzigen Person erfüllt werden sollen, so ist dies ein Anspruch, dem nichts und niemand – und v.a. nicht auf Dauer gerecht werden kann.

Wenn ein Beziehungspartner dir auf eine solche Weise begegnet, dass er ALLES für Dich tut und tun würde und dass er der absolut perfekte Traumpartner (oder Frau) ist – dann halte bitte einen Moment inne und versuche herauszufinden, ob dieser Schein eventuell etwas mit einer narzisstisch manipulativen Strategie zu tun hat, die Dich binden möchte, indem sie Dir alles verspricht und am Ende doch das meiste davon nicht einhält oder immer wieder auf „später“ verschiebt – oder derjenige immer wieder andere gut klingende Ausreden vorbringt – oder wenn Du schlicht und ergreifend ein solch glänzendes Bild gezeigt bekommst, das keinen einzigen Makel oder Fehler kennt.

Fakt ist: Wer einen Retter sucht, der braucht einen Helfer – und dieser Helfer sollte nicht der Partner oder die Partnerin oder eine neue aufregende Beziehung o.ä. sein, sondern eine fachkundige Person, die Dir Hilfe anbieten kann, um wirklich in Dir und in deinem Leben die Sicherheit zu finden und zu spüren, die Dir noch fehlt.

Denn niemand möchte „benutzt“ werden als Retter oder Heldin oder um ein Loch des anderen zu stopfen, der ohne einen „nicht leben könnte“ oder der dabei vor lauter innerem noch brennendem Seelenschmerz in der absoluten Hilf-mir-Rolle ist und der durch diesen Schmerz natürlich auch den Partner/ die Partnerin nicht mehr sehen und wirklich wahrnehmen kann. Eine solche Beziehung mutiert schnell zur Objekt-Beziehung und verliert an Gegenseitigkeit.

Natürlich dürfen wir Bedürfnisse haben und es ist auch wichtig, etwas NEHMEN zu können. Aber wenn das Nehmen und das Hilfe-Bekommen-Müssen die Überhand gewinnt und es einseitig wird, haben wir wieder ein Gefälle und keine echte Beziehung und Partnerschaft mehr. Dann sollten wir uns anderweitig Unterstützung suchen, um von diesem überdimensionalen Ich-brauche-einen-Retter weg kommen zu können, indem wir mit einem eigenen inneren Fundament, das so stabil ist, dass man bereits darauf stehen kann, dann erst wahrlich beziehungsfähig werden kann.

Und dazu angemerkt: Erst wenn wir nicht mehr von dieser einen Person (oder seinen Taten oder seiner Art zu sein als unser „Retter“, „Vaterersatz“, „Mutterersatz“ etc.) abhängig sind, können wir eine echte wechselseitige Beziehung auf Augenhöhe führen UND dann sind wir auch in der Lage, eine Trennung auszuhalten.

Es mag in vielen Menschen solche Tendenzen geben und es ist dabei wichtig, sie zu BEMERKEN und damit auch in der Beziehung gemeinsam in Kommunikation bleiben zu können. Keiner ist perfekt, die meisten haben ihre Wunden und Probleme und das bedeutet nicht, dass wir erst dann in eine Beziehung gehen dürften, wenn wir „keine“ Probleme mehr haben – aber es heißt, dass wir zunindest so stabil sein sollten, dass wir uns reflektieren können und wir unsere Baustellen und Problemthemen erkennen, kennen und sie nicht blind unser Verhalten steuern bzw. wir von einer Metaebene aus darüber sprechen lernen.

Die Manipulation an Dir selbst

Diese Strategie ist meist so versteckt und unbewusst, dass viele Betroffene es nicht bemerken. Aber auch hier wird ein Gefälle eröffnet zwischen Dir und der anderen Person – und dies oft noch verschleiert hinter der bewussten und ganz ethisch korrekten Vorstellung, „dass man den anderen ja nicht manipulieren darf“.

Lass mich das kurz erklären, was ich meine:

Du hast ein Ziel, einen Plan, eine Vorstellung, wie z.B. die Situation mit Frau xy sein soll. Es kann sein, dass Dein erstes Etappenziel ist, dass sie dich nicht direkt abweist und Du ein Gespräch mit ihr führen kannst, um danach die Möglichkeit zu haben, euch zu einem Date zu verabreden.

Alternative Situation: Du hast das Anliegen, dass Dir der Herr da hinten am Bahnhof den Weg zur Paracelsustraße erklärt, weil Du gerade keine Ahnung hast, wo du diese Straße findest und Dein GPS am Handy defekt ist.

Solche Situationen und Anliegen sind erstmal ganz unproblematisch.

Nun folgt aber der Problem erzeugende Teil in dem Betroffenen:

Schauen wir uns dazu wieder das erste Beispiel oben an. Der Mann will erreichen, dass die Frau ihn sympathisch findet und sie mit ihm redet (damit er herausfinden kann, ob Etappenziel 2 weiterhin sinnvoll ist). Da er aber aufgrund seiner inneren ehrenwerten Ethik nicht mit irgendwelchen Manipulations-Strategien an die Frau herantreten möchte und er sie frei lassen möchte, ganz SELBST zu entscheiden und in dieser Entscheidung nicht beeinflusst zu sein, so wird er vielleicht folgendes tun:

Er wird entweder die Auserwählte vorab auschecken (siehe Kapitel oben), um sie „kennen zu lernen“ und herauszufinden, wie sie es am liebsten haben könnte, angesprochen zu werden (oder welche Kleidung sie vielleicht an einem Mann mögen könnte oder ob sie eher der Typ ist, dass kein Parfüm mehr ist… etc.) –

oder er wird auf Input aus generellen Infos zu einer solchen Situation zurückgreifen, wie Mann sich verhalten sollte, um Frau zu gefallen und eine Chance zu haben auf ein Gespräch (siehe auch das folgende Kapitel unten).

Und in beiden Fällen wird er SICH SELBST unbewusst dabei manipulieren! Er passt sich dem Bild an, das als Pendant zu dieser Frau passen könnte und hoffentlich auch passt, um sein Ziel zu erreichen.

Der Fokus ist hauptsächlich darauf gerichtet, wie man sich verhalten, wie man reden, wie man auftreten, wie man „sein“ sollte, um diese Frau anzusprechen und keinen Korb zu bekommen. Das kann bewusst (Ziel verfolgen) oder unbewusst geschehen.

Was dabei außer Acht gerät ist das EIGENE SELBST, die Präsenz im eigenen Körper – und manchmal sogar die eigenen Interessen, die eigenen Vorlieben oder die eigenen natürlichen Verhaltensweisen.

Es ist ein Schauspiel. Ein Werben um ein Weibchen – aber jede Werbung hat den bitteren Beigeschmack, dass sie nur dann da sein muss, wenn das Produkt nicht gut genug ist (oder sich nicht gut genug fühlt), auch OHNE Werbung die volle Punktzahl erreichen zu können und be-/geliebt zu werden.

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Die Manipulation an Dir selbst bedeutet: Du verbiegst dich. Du hast den Impuls, alles dafür tun zu müssen, um den anderen so gut es geht vorab zu checken, um damit eine Blaupause zu haben, wie Du entsprechend DICH SELBST so anpassen und verhalten musst/kannst, damit Du mit dem, was Du tust und wie Du dich verhältst, kleidest, redest, wie Du stehst oder über was Du sprichst etc. auch letztlich erreichst, was Du willst.

Und es gibt sehr weitreichende und tiefergehende Selbst-Manipulationen!

Sich selbst manipulieren zu müssen ist das Gegenteil von authentischem Leben – JEDE Rolle ist falsch, für die Du dich bewusst verbiegen oder ihr anpassen und dich „etwas zurecht stutzen“ musst oder Du Dinge übernimmst, die AUCH in diese Rolle gehören, die Du aber eigentlich nicht tun würdest (auch wenn alle anderen Aspekte der Rolle zu dir passen). Denn dann VERBIEGST du dich für eine Rolle, in die Du nicht hinein passt.

Jeder Mensch hat gewisse Rollen in seinem Leben – und nicht jede Rolle ist per se „unauthentisch“. Aber eine echte Rolle, die zu Dir passt, bemerkst du daran, dass Du sie kaum bemerkst. Es ist einfach eine Art zu sein, die dir behagt im jeweiligen Kontext. Es ist ein Cluster an Fähigkeiten und Kompetenzen und der damit verbundenen Art zu sein, die Du in der jeweiligen Rolle automatisch abrufst.

Aber wenn Du dich erst an eine Rolle „gewöhnen“ musst oder Du manche Aspekte der Rolle per se gar nicht mögen würdest, wenn Du sie selbst als Drehbuch für diese Gesellschaft schreiben könntest – dann habe den Mut, diese Rolle NICHT einzunehmen; oder aber spiele sie SO, WIE SIE ZU DIR PASST und wie sie authentisch für Dich ist. Damit kannst Du ein Vorbild sein, überalterte Rollenklischees aufzubrechen und dabei nicht Rebell, sondern ein präsentes und sich und andere achtendes Vorbild für andere zu sein.

Kastriere Dich nicht für eine bestimmte Rolle. Auch nicht eine Rolle von „absoluter Männlichkeit“. Und zwänge Dich nicht in zu enge Rollen, sondern erschaffe Deinen eigenen Stil mit Deiner eigenen guten Ethik in allem, was Du tust.

Sei keine Kopie, sondern ein Original und individuell Du selbst – und ein individuelles klares Ich-Selbst hat auf der anderen Seite auch kein Problem damit, sich mal unterzuordnen oder etwas mitzumachen, was andere vorschreiben – solange dabei die Würde aller gewahrt bleibt.

Wenn ein Aufschauen getarnt ist hinter Macht und Persönlichkeitsentwicklung

Eine weitere Strategie, um eine eigene Unsicherheit zu überspielen und um Halt zu finden (bzw. diesen Halt SCHEINBAR zu finden…), ist folgende:

Es gibt Menschen, die alles dafür tun, um den anderen – oder „Frauen“ oder „Männer“ per se – in endlosen Seminaren zu Geschlechterthemen oder Beziehungscoachings etc. kennen zu lernen. Die zum „Frauen-Versteher“ oder zum „unwiderstehlichen Gewinner“, zum „Alphamann“, zur „starken Traumfrau, die alle umschwärmen“ oder was auch immer mutieren wollen; die ihre „Fähigkeiten“ verbessern wollen, um Frauen oder Männer gezielt und effektiv ansprechen zu können und zu erreichen, was sie wollen.

Es werden möglichst „alle“ Mechanismen versucht zu erlernen, die bei einer Annäherung zwischen Mann und Frau eine Rolle spielen… um sie dann hoffentlich praktisch auch sehr überzeugend anwenden zu können. Und dieses Anwenden bedeutet in den meisten Fällen wieder: Ich übernehme eine („passende“) Identität für meine Ziele. Und in den meisten Fällen finden wir diese Identität dann „cool“ oder „richtig“ oder übernehmen sie von unseren Vorbildern so sehr, dass wir beginnen, sie als „zu uns passend“ zu bewerten. Diese Identität geht über eine Rolle noch hinaus: Es ist quasi eine „lebenslange Rolle“, die mit viel Übung dann als „ich bin so“ erlebt wird. Und da diese Identität wie eine „neue eigene gute Identität“ erlebt wird und sie mit Ursache und Wirkung Erfolg verspricht in dem, was man tun will und was man erreichen will (auch beruflich etc.) – WIRD die betreffende Person dann diese Identität. Sie übernimmt sie komplett.

Das Problem bei jeder übernommenen Identität, auch einer, die uns eben einfach so begeistert und mitgerissen hat, ist aber: Sie ist nicht unsere.

Es war ein anderer, vielleicht ein Coach, vielleicht ein Youtuber, vielleicht ein Vorbild, vielleicht ein Buchautor, der uns ein Bild gegeben hat, von dem behauptet wird, „dass es so richtig ist“. Und egal wie logisch und erfolgsversprechend dieses Bild ist – wenn Du beginnst, Dich danach auszurichten und die Blaupause dieser Identität nicht aus Dir selbst heraus generiert wurde, sondern von außen an Dich herangetragen – so ist es eine SCHEIN-Identität. Und die fatale Folge so mancher Scheinidentitäten ist, dass sie entweder den verblendeten Sucher so sehr mitreißen, dass er sich selbst und seine eigenen Werte, sein eigenes Wesen und seine eigenes Sosein dafür verleugnet oder vergisst… Oder dass sie dazu führen, dass man, wenn man 5 Mal „Ja“ gesagt hat, beim 6. Mal auch „Ja“ sagt… obwohl man eigentlich Nein meinte. Das heißt: Wenn diese Identität zu 80 oder gar zu 90% zu deiner eigenen Ethik und zu Dir selbst passt, aber zu 10-20% nicht – dann wirst Du dennoch der Gesamt-Identität zuliebe ALLES übernehmen, weil „es dazu gehört“, auch wenn Du damit nicht konform gehst. Bei den klügsten Identitäts-Spielchen werden von den Machthabern auch Bedenken ideologisch gekonnt alle im Sinne der Identität ausgeräumt… Und in Wahrheit unterliegt man einer Manipulation.

Natürlich hat nicht jeder kleine Youtuber, der Dir Beziehungstipps oder Infos zum „Echten Mannsein“ oder „echten Frausein“ und Slogans wie „komme in Deine Weiblichkeit“/ „lebe Deine Männlichkeit“ usw. predigt, die Macht oder Absicht, dich oder andere zu manipulieren.

Aber oft manipulieren sich die Menschen dann selbst – und wenn ihnen ein Bild/ eine Identität gefällt, wollen sie auch so sein – und überzeugen sich quasi selbst davon, dass DAS dann richtig ist.

Aber hier bleibt dasselbe wie bei der Rolle – nur dass eine Identität situationen- und kontextübergreifend ist:

Eine Identität ist nicht per se „unauthentisch“ oder „schlecht“ – jeder Mensch sucht und findet im Laufe seines Lebens seine eigene Identität und das ist ganz natürlich. (Hier gehört in den Begriff ja noch viel mehr rein als ein Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht oder in sozialen Situationen) Aber eine echte Identität, die zu Dir passt, erkennst du daran, dass es von innen heraus Deine Art zu sein ist und dass sie Deiner Natur als Wesen entspricht und sie würdevoll ist.

Wer aber über scheinbare „Persönlichkeitsentwicklung“ und Identität im Außen hinwegspielen möchte über dennoch im Inneren unangetastete Unsicherheit, der kann noch so sehr glauben und sich einer Verblendung hingeben, jetzt „Krieger“ zu sein, Macht zu haben, Halt zu finden in einem „neuen selbstbewussten Ich“… der wird irgendwann an den Punkt kommen zu bemerken, dass da noch immer etwas im Untergrund danach ruft, gesehen und geheilt zu werden.

Eine äußere Show, die man sogar sich selbst glaubhaft vorspielt, kann eine Weile gut gehen. Aber es wird früher oder später der Wendepunkt kommen. Spätestens bei einer ernsthaften Niederlage, einer Krankheit, einem Unfall, dem plötzlichen Verlust eines sicher an sich gebunden geglaubten Menschen… oder wenn andere Menschen den Finger genau in die Wunde legen und einen trotz dieser äußeren Fassade genau im schlimmsten Gefühl von Unfähigkeit oder Wertlosigkeit treffen… Oder wenn man „alles“ erreicht hat und noch immer das Gefühl nicht los wird, immer nur kämpfen zu müssen… oder man einfach trotz allem, was man erreicht hat, nie so richtig glücklich und in sich zuhause ist.

Um den echten Kontakt zu sich selbst kommt keiner auf Dauer herum – und erst mit dieser Wahrnehmung und Heilung alter Wunden kann ECHTE Präsenz entstehen, die von innen heraus strahlt, statt von außen hell angepinselt zu werden.

Um den Bogen zur Überschrift dieses Kapitels zu spannen:

Es ist nämlich wieder ein Gefälle von Dir (unten) und den anderen betreffenden Personen (oder den Zielen oder der „eigenen Identität“) oben.

Man kann sich u.U. erstmal „mächtig“ und „präsent“ fühlen. Diese Macht kann sogar (vorübergehend) ein sehr starkes und sicheres und Halt gebendes Gefühl schenken. Diese Menschen haben damit auch eine andere Ausstrahlung, sind vielleicht tatsächlich erfolgreicher in sozialen Beziehungen, erreichen mehr ihrer Ziele und fühlen sich wohl – aber oft kann man spüren, dass es eine sehr große und einseitige Nach-außen-Richtung ihrer Energie ist. „Ich tue was!“ „Ich erreiche was!“ „Ich kämpfe und siege!“ „Ich bin der Gewinner!“ „Ich weiß wie es geht“ „Ich kann mir und meiner Partnerin/ meinem Partner die geilsten Orgasmen verschaffen und alle lieben es!“ …

Vielleicht wirst Du auch beim Lesen bemerken, dass all diese Dinge – auch wenn sie durchaus mit viel Emotion und Freude und Lust verbunden sein können – meist rein auf der Funktionsebene liegen. Es ist eine erlernte Mechanik. Aber keine Mechanik der Welt ersetzt ein von innen heraus entstehendes Gefühl von Präsenz.

Und weil es bei vielen im Inneren NICHT ist, sondern von außen angeeignet ist, so bleibt man ein Jünger dieses Bildes. Und man schaut innerlich weiter auf zu diesem Bild, dem man nacheifert – zu der Rolle und Identität, die man erfolgreich spielt und die in nachdenklichen Momenten, wenn man mit sich allein ist, irgendwann abfällt, wie eine fremde Jacke, die nicht passt.

Es wäre entspannter, wenn man sein Leben von innen her leben könnte – und wenn man Sicherheit in sich findet statt in Erfolgen oder Funktionen im Außen.

Der Bruch zwischen Selbstbild und Idealbild


Dieser Faktor kann für sich allein stehen, aber er begleitet meist auch einige der in den vorherigen Kapiteln genannten Strategien.

Immer wenn es ein Bild vom Ziel-Verhalten des anderen (und von sich selbst = Rollenerwartung) gibt… immer wenn es eine angestrebte Option gibt, wie die Situation verlaufen soll, plant man sein Verhalten und passt sein Auftreten an den anderen (oder das Idealbild von einem erfolgreichen Mann/ Charmeur/Verführer/ Gewinner/ starken Typen etc.) an. Und damit gibt es einen kleinen oder großen Bruch zwischen Selbstbild und Idealbild, zwischen Ist und Soll/Will.

Und das macht unsicher. Weil es nicht IST.


Und all das tut man vielleicht sogar in der gegenteiligen Überzeugung und Annahme, dass man doch nur DEN ANDEREN checken wollte, um den besten Weg zu finden, Kontakt aufzubauen und den ANDEREN zu „beeinflussen“ (oder sagen wir lieber positiv:) ihn zu motivieren und zu überzeugen, dass es sich lohnt, mein Angebot einmal anzuhören…?

Aber falls ich jemandem aus dieser Haltung heraus ein Angebot unterbreiten würde und jemandem mein Interesse zeige (auch wenn er weiterhin frei ist, Nein zu sagen) – so habe ich dennoch ein Gefälle von mir (unten) und ihm/ihr (oben). Weil ich ein Bedürfnis habe und aus diesem Bedürfnis auf denjenigen zugehe. Und das ist trotz aller „ich kann auch allein leben“, dennoch eine verkappte Bittsteller-Rolle.

Der Bittsteller

Im Grunde ist m.E. jeder Mann, der eine Frau anspricht und um sie werben will oder der diese Frau gern hätte, ein untergeordneter Bittsteller. Ob er es weiß oder nicht wissen will.


Deshalb haben auch so viele Männer Ängste, eine Frau anzusprechen. Weil sie innerlich spüren, dass sie per se mit dieser Situation in einer untergeordneten Position sind (weil das Bild da ist: es gibt pro Frau zig andere Männer, die um sie werben und sie entscheidet sich für den besten Ritter) – und diese untergeordnete Position befeuert alle Ängste noch mehr, zu versagen, ohnmächtig zu sein, peinlich zu sein, usw…

(und natürlich auch umgekehrt – und manchmal auch in ganz alltäglichen Situationen. Da aber das Thema „Mann will Frau ansprechen“ am häufigsten nachgefragt wird, möchte ich diese Perspektive hier beschreiben. All die Phänomene können aber auch auf jede andere beliebige Konstellation übertragen werden.)

Wie kommt man da raus?

Wann ist man kein Bittsteller mehr?

Oder gibt es das überhaupt?

Was ist die Lösung aus der Problematik und der Unsicherheit?

Scheitern verhindern – wenn es nichts mehr gibt, woran Du scheitern könntest

Wenn die Frau nicht mehr „perfekt“ / idealisiert/ heimlich angebetet/ die einzige Prinzessin ist, dann steht sie nicht mehr „über“ einem. UND wenn man kein Ziel/ keine Absicht in dieser Situation mehr hat.

Wenn ALLES offen ist und sein darf und kein „Scheitern“ eine Enttäuschung wird, weil man keine Täuschung oder ein Bild von So-sollte-es-sein oder so-sollte-ich-sein hatte. Letztlich scheitert man dann auch niemals, weil es nichts gibt, woran man scheitern könnte.

Wenn ich eine Blume am Wegrand bewundere, kann ich dabei nicht scheitern. Wenn ich ein Vogelhaus baue und einen ganz klaren Plan habe, wie es werden soll, kann ich scheitern, wenn mein Sägeblatt zu grob war oder ich etwas nicht bedacht habe usw.
Wenn ich baue und ich weiß, dass ich, wenn mal eine Sache nicht wie gedacht klappt, ich eben was anderes draus baue oder es anders werden darf als geplant und vielleicht sogar manchmal noch bessere Ideen kommen, während ich es baue… dann kann ich nie scheitern.

Und hinzu kommt: Wenn ich gelernt habe zu Unterscheiden von meinem Verhalten und meinem Erscheinen auf der einen Seite und MIR ALS GANZEM MENSCHEN auf der anderen Seite, dann kann ein anderer mein Verhalten oder mein Äußeres kritisieren und ich fühle mich dennoch nicht in meinem Wert als MENSCH beeinträchtigt oder gemindert dadurch.

Um die zuvor genannte Vielfalt und das Potenzial einer jeden Situation nochmals zu verdeutlichen, hier ein Beispiel:

Wenn ich einen Passanten anspreche, wo der nächste Briefkasten ist, dann kann es sein, dass er es weiß oder dass er es nicht weiß. Es kann sein, dass ich seiner Beschreibung folgen kann oder dass er es zu kompliziert erklärt. Es kann sein, dass er mich nur schräg anschaut und weiter geht ohne etwas zu sagen. Es kann sein, dass er anfängt zu reden und mir noch etwas ganz anderes wissenswertes berichtet. Es kann sein dass er solch eine autoritäre Stimme hat, dass ich innerlich zusammenzucke – oder es kann sein, dass ich die Liebe meines Lebens treffe… und und und (ich habe bewusst hier den Rahmen sehr weit aufgespannt). Wenn ich kein vorgefertigtes Bild von der Situation (vom anderen und von mir) habe, kann ich nicht scheitern.

Auf jede situative Gegebenheit gibt es eine Reaktion – und da ich kein Fernrohr habe/ keinen eingeengten Fokus auf NUR DIESE eine Person – so kann ich sicher sein, dass wenn diese Person mir noch nicht das Bedürfnis erfüllte (z.B. die Wegbeschreibung zu erhalten), dann frage ich eine andere.

Und so ist es auch in einer Annäherung an einen potenziellen Partner(in). Wenn sie oder er das erste Wort spricht oder wenn es um persönliche Inhalte geht, kann mir das zeigen, dass ich Recht hatte und die Person mir weiterhin sehr sympathisch ist – oder es kann sein, dass ich sie unsympathisch finde. Es kann sein, dass sie MICH sympathisch findet und es liegt in der Natur des Menschseins, dass es auch sein kann, dass ich nicht ihr Typ bin.

Es ist die künstlich errichtete und sehr einengende „Verbindlichkeit“, die wir uns selbst und der Situation in dem Moment überstülpen.

Ohne Ziel – nur mit einer Idee/ einer groben Richtung, die offen bleibt für alle weiteren Wege und die wundervollen Möglichkeiten des Lebens – ist da immer nur Entdeckerfreude, immer an jeder Weggabelung eine neue Entscheidungsoption und jederzeit die Möglichkeit, dass es anders und noch großartiger wird, als gedacht.

Und es gibt in Begegnungen mit anderen Menschen (jetzt mal ohne Traumahintergrund) keine Unsicherheiten oder Angst mehr.
Weil es kein Ziel gibt, das abweicht von dem, wie es ohnehin gerade IST. Keinen Soll-Wert; weder des anderen noch von Dir selbst. Und zugleich ist das gesamte Potenzial offen, dass es ALLES werden kann (und solange es zur Ethik und Richtung passt, die man selbst für sich definiert hat, bleibt man dort und schaut bildlich gesprochen der Blume zu, wie wundervoll sie ist und wie sie sich entfaltet)

Dann sind da zwei Menschen, die beide Stärken und Schwächen haben und die verletzlich und stark und kreativ sind und es gibt kein Angst machendes Gefälle – Weil das Gefälle nur da herrührt, dass man ein Ziel hat. Dass man eine Absicht hat. Dass man „manipulieren“ will oder mindestens ein Ergebnis erreichen will, um eine Person in dieses eine Gespräch zu bringen oder gar bei ihr zu „punkten“ – also alles andere als ein Looser oder Opfer sein zu wollen oder hilflos oder bedürftig dazustehen. (Vor sich selbst und vor dem anderen oder vor „der Öffentlichkeit“)

Auch wenn ich ein Angebot an jemanden herantragen will und glaube, mich dafür „auf die Zielgruppe einstimmen“ zu müssen/wollen, um sie zu erreichen oder um mein Ziel zu erreichen, passe ich mich an, verbiege ich mich. Auch dann entsteht ein Gefälle. Weil jeder, der sich verbiegt oder anpasst – und sei es nur in der Art zu reden oder der Kleidung oder was auch immer… und sei es noch so subtil(!), der stellt sich UNTER den/die anderen, von denen er etwas will – oder er stellt sich unter sein eigenes Ziel bzw. Idealbild an sich. Er macht sich innerlich klein oder verliert sich zum Teil, auch wenn er sich im Außen „groß macht“.

Und man kann sich selbst nie etwas vorspielen.

Vorstellungsgespräche zeigen dieses Phänomen auf ihre Weise ebenfalls anschaulich. Die meisten sind dabei mega aufgeregt. Warum? Genau wieder aus dem Grund von oben: Es gibt ein Ziel, man will etwas haben, ist dabei von einem anderen Menschen abhängig und auf ihn angewiesen UND (das ist für mich der entscheidende Punkt:) man passt sich dem an/ der Rolle oder dem, wie man gern wäre/ oder den Interessen des Chefs oder seinen Vorlieben/ oder man will eben einfach „natürlich“/“authentisch“ sein oder was auch immer… – und dabei ist man im Grunde BEIM ANDEREN und nicht BEI SICH. Man will etwas sein. Man ist nicht ganz präsent mit dem, was IST. Man nimmt seinen Körper nicht ganz ein/ spürt ihn in dem Moment vielleicht auch nicht ganz. Und ein solches „authentisch-Sein-Wollen“ ist nicht authentisch, sondern künstlich.

Präsenz

Ich glaube, immer wenn man wirklich ganz präsent ist, man ganz „da“ ist und man in sich ruht, dass man sich weder um all diese Dinge Gedanken macht, noch man irgend ein „Gefälle“ aufbaut.

Und man muss dann auch nichts mehr „absichern“ (im Kleinen) oder das Gefälle künstlich zur EIGENEN Seite hin hoch setzen und sich Macht über einen anderen verschaffen (im Großen), wenn man ganz präsent ist und bleibt. Wenn man sich selbst spürt, wenn man seinen Körper von INNEN spürt, wenn man mit sich selbst, seinen Bedürfnissen, Gefühlen und Grenzen in Kontakt ist und diese auch angemessen kommunizieren und damit umgehen gelernt hat.

Dann kann man nämlich selbst, wenn man trotzdem seine menschlichen Bedürfnisse hat, für die man natürlicherweise auf andere angewiesen ist, so viel „SELBST“/Seele/ Ich/ Präsenz und Liebe ausstrahlen, dass jeder gern in der Nähe ist und (ich übertreibe jetzt:) „sich die anderen darum reißen, wer mir das Bedürfnis (z.B. nach körperlicher Nähe) erfüllen darf oder wer meine Partnerin/Partner sein darf“.

Dann bin ich „einfach da“ und ganz im gegenwärtigen Moment anwesend – und wenn ich WAHRES Interesse an einem Menschen habe, kann ich ihn ansprechen, weil ich ihn kennen lernen möchte. Und dann brauche ich kein Skript, keine Rolle, keine Perfektion, keine makellose Fassade – und ich brauche keine Angst zu haben, dass ich „einen Fehler machen“ oder „scheitern“ könnte. Denn es ist ein gemeinsamer Tanz, bei dem jeder einen kleinen Schritt auf den anderen zugeht, solange für beide das ehrliche Interesse da ist. Ist kein Interesse da: so what?! Dann hätte es ohnehin nicht für eine Ehe gereicht.

Und in diesem Tanz miteinander lernen sich beide gleichermaßen gegenseitig kennen.

Wenn Du präsent in Dir bist und Du nicht (wie es traumatisierte Menschen oder unsichere Menschen oft erleben) „in den anderen hinein fällst“ oder Du nur noch mit Deiner inneren Aufmerksamkeit und „Energie“ beim Gegenüber bist und dich selbst verlierst dabei – dann hast Du genug innere Sicherheit gefunden, um entspannt zu sein.

Und entspannt gestaltet und genießt sich ein sozialer Kontakt am besten.

Um da hin zu kommen, braucht es für einige viel Arbeit an sich selbst und für Menschen, die Entwicklungstrauma oder Mobbing oder andere traumatische Erfahrungen bereits erleben mussten, ist sicherlich eine gute (Trauma)Psychotherapie sehr dienlich auf dem individuellen Weg.

Vielleicht konnte ich Dich aber auch mit meinem Beitrag bereits etwas inspirieren oder Dir weitere Anregungen und Sichtweisen auf das ein oder andere geben.

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