Psychologie, Selbsthilfe und Persönlichkeitsentwicklung


Erste Voraussetzung: Bedeutung der Nonverbalität – echten Kontakt fühlen _Teil 2

Inhalt:

  1. Mimik und Gestik sind tatsächlich 90% der Kommunikation
  2. Gefühle sind das A und O im Leben
    1. …Nur wenn wir wirklich die Bedeutung von etwas erkennen können und uns dem öffnen, können wir beginnen zu sehen und zu verstehen.
    2. Schlussfolgerung und WIRKUNG der Erkenntnis
  3. Nonverbalität IST BEREITS IN JEDEM MENSCHEN angelegt.
  4. Warum Lachen und Weinen angeboren ist
  5. Quellenangabe

Mimik und Gestik sind tatsächlich 90% der Kommunikation

Ja, ich weiß – und ja, ich kann es sehr gut nachempfinden, wenn man als autistischer Mensch an dieser Stelle allein auf den Titel innerlich schon fast abwehrend reagiert – oder zumindest ungläubig (weil man vielleicht schon mantraartig von vielen Coaches und Ratgebern zu hören bekommt „wie wichtig Mimik und Gestik doch sei“…) und ich möchte allen (v.a. neurotypischen Angehörigen) zum besseren Verständnis und um eine gemeinsame Basis zu haben, im Folgenden einige logische und nachvollziehbare Argumente aus autistischer Sicht aufführen, weshalb man es als Betroffener einfach nicht nachvollziehen kann, wieso das Nonverbale einen solch hohen Stellenwert in der Kommunikation haben sollte:

Und um diese Argumente zu verstehen – und als Betroffener auch die Reaktion der neurotypischen Menschen zu verstehen, die wiederum die autistische Sicht nicht recht nachvollziehen können; müssen wir uns zuerst noch folgenden wichtigen Aspekt klar machen:

(siehe hierzu auch meinen Beitrag Analogie: der schwerhörig Geborene) – Wer mit Autismus auf die Welt kommt, der kennt von Anfang an nur seine Art der Wahrnehmung und der hat möglicherweise noch niemals in seinem Leben auch nur eine Ahnung davon bekommen, was es NOCH geben könnte und v.a. wie sich das anfühlen könnte, wenn andere davon erzählen, dass sie „nonverbal kommunizieren“. Kommunikation läuft aufgrund des angeborenen Mangels in der Fähigkeit, Emotionen in Gesichtern intuitiv, d.h. ohne bewusst darüber nachdenken zu müssen!, zu erfassen, häufig nahezu 100% rein auf der VERBALEN Ebene ab, das heißt, auf der reinen gesprochenen Informationsebene. Die anderen Informationskanäle sind einem autistischen Menschen von Grund auf reduziert bis gar nicht verfügbar. Und weil es so groß geworden ist, kann er sich zunächst einmal nicht vorstellen – und v.a. nicht FÜHLEN, welche eine Bedeutung es noch geben könnte in all dem nonverbalen „Zeugs“, was die Menschen so tun. Der Sinn darin erschließt sich einem Autisten kaum. – Daher entstehen zum Beispiel folgende gefühlte Wahrheiten – Wahrheiten der „autistischen Welt“, wie sie tatsächlich IST und von Betroffenen erlebt wird:

  1. „Würden wir nicht VERBAL, sondern nur nonverbal kommunizieren, würden wir wie Affen höchstens mit affigen Geräuschen und urtümlichen Zeigegesten oder Pantomime versuchen können, einer anderen Person etwas zu zeigen, auf etwas zu deuten, eine Richtung zu zeigen oder auf den eigenen Bauch zu deuten und irgendwie verständlich zu machen, dass man vielleicht Hunger hat oder was auch immer. Würden wir „nonverbal“ – wie Affen – kommunizieren, so hätten wir keine Kultur, könnten nicht singen, lesen, schreiben, Auto fahren, Hosen nähen usw. – Wieso sollte Nonverbalität WICHTIGER sein als das verbal Gesprochene?“
  2. „Mit verbalen Worten kann ich viel präziser ausdrücken, was ich will, wie es mir geht, was ich sehe usw. – als es nur pantomimisch darzustellen, denn das mündet beim Gegenüber mehr in ein Raten, was ich ihm eigentlich sagen will – und es ist absolut ineffizient, mehrdeutig und nicht geeignet, einen komplexen Inhalt zu vermitteln.“
  3. „Wenn ich telefoniere, kann ich ja auch nur sprechen und nicht „mimen“ – bzw. würde mein Telefonpartner ja von meiner Gestik nichts mitbekommen – und das beweist, dass man (eben auch am Telefon) zu 100% verbal spricht und sich genauso effektiv mitteilt wie in einem persönlichen Gespräch – Die Nonverbalität ist also verzichtbar!“
  4. „Nonverbalität ist allerhöchstens so etwas wie die Spur der eingeblendeten Untertitel in einem Film, dessen Sprache man versteht. Man braucht sie nicht wirklich.“
  5. „Blinde Menschen können auch Kommunizieren und sie haben in der Kommunikation keine mir ersichtlichen Einschränkungen. Also muss ich die Gestik und Mimik meines Gegenübers nicht sehen – also ist sie verzichtbar.“

All das beweist für einen autistischen Menschen völlig in sich schlüssig und logisch, weshalb die nonverbale Ebene für ihn unwichtig ist – und dass er sie wahrscheinlich noch nie wirklich bewusst in sich aufnehmen und spüren konnte.

Und nun möchte ich Dir – als Autist und als Angehöriger/ Partner/ Therapeut… gern im nächsten Schritt ein paar Argumente an die Hand geben, wie Du einem Betroffenen empathisch in diesem heiklen Thema begegnen kannst und ich möchte gern Dir, wenn Du auch von Autismus betroffen bist, wirklich ein paar Inspirationen mitgeben und Dir aus der Perspektive heraus, dass wir uns doch genau DAS ja wünschen… echten Kontakt zu fühlen zum Gegenüber… Informationen geben, die zeigen, dass genau dieser Kontakt etwas ist, das PARALLEL NEBEN der verbalen Sprache und dem reinen Sachinhalt mitläuft.

Gefühle sind das A und O im Leben

Fakt ist, dass wir alle, jeder Mensch sich im Grunde gut fühlen will. Dass wir glücklich sein wollen. Dass es darauf ankommt, wie man sich FÜHLT.

Was nützt das beste Buch, der beste Lehrer, der beste Ratgeber, wenn man sich davon nicht innerlich abgeholt fühlt/ sich nicht berührt fühlt/ wenn es quasi „an einem vorbei zieht“ und wenn man durch all das weder ein gutes Gefühl, noch einen Erfolg oder neue Motivation oder einen Aha-Moment und neues Verständnis etc. in sich erleben kann? Dann hat es einen nicht berührt. Denn selbst jede innerliche Weiterentwicklung funktioniert nur dann, wenn wir es auch EMOTIONAL in uns erleben. Auch ein kleines Kind lernt nur das Sprechen, weil „Mama“ und „Papa“ und „Puppe“ usw. emotional aufgeladene Worte sind, nicht weil jemand permanent den Lautklang „m-a-m-a“ wiederholt; auch wenn es so scheinen mag. Das Kind lernt nur dann etwas, weil es die Lautgestalt „Mama“ an die Person knüpft, die für es bedeutsam ist und die sich dabei zu ihm beugt und mit ihm spricht.1

Das heißt: JEDES LERNEN, unsere ganze Kultur und all unsere Errungenschaften haben wir nur deshalb entwickeln können, weil wir über einen emotionsinduzierten Prozess1 im Hirn dieses Neue auch tatsächlich in uns aufnehmen und damit weiter wachsen konnten – Jedes Lernen kann nur dann geschehen, wenn es uns emotional berührt. Dies ist neurobiologisch begründet (wenn dich die Biologie und Biochemie im Hirn dazu interessiert, empfehle ich dir, dich mit den Arbeiten sowie populärwissenschaftlichen und verständlichen Beiträgen von Prof. Dr. Gerald Hüther zu beschäftigen.)1

Emotionen sind eine sehr wichtige Sache!

Gefühle (ich verwende in diesem Beitrag die Begriffe Emotionen, Gefühle und Empfindungen diesmal zur Erleichterung des Verständnisses synonym) sind zudem unerlässliche Anzeiger und Gradmesser, ob unsere Bedürfnisse, auch die existenziellen Grundbedürfnisse!, erfüllt sind oder nicht. Ohne Gefühle wüsste kein Mensch, ob er gerade Hunger hat oder satt ist; ob er sich wohl fühlt oder ob ihm etwas nicht behagt und er die Situation lieber verlassen oder verändern sollte. Wir hätten keine Lieblingsfarben, keine Präferenz für eine bestimmte Speise oder ein Hobby, wir wären ein emotionaler neutraler Einheitsbrei – und wir könnten auch nicht fasziniert von etwas sein, das unser Interesse auf sich lenkt und mit dem wir uns gern beschäftigen oder was wir gern tun, welcher Kinofilm uns gefällt oder ob wir generell lieber Kochen als im Garten zu arbeiten …. usw. usf.

Ich hoffe, es wird mit diesen Beispielen etwas deutlich, was alles unsere Emotionen für uns leisten und wie sehr es auf seine GEFÜHLE ankommt, was ein Mensch tut, wie er sich verhält, was er nicht tut, was er mag, was er nicht gern hat, wie er sein Leben gestaltet usw.

…Nur wenn wir wirklich die Bedeutung von etwas erkennen können und uns dem öffnen, können wir beginnen zu sehen und zu verstehen.

Wieso rede ich hier so viel über die Bedeutung von Gefühlen?

Was hat das mit Kommunikation und Nonverbalität zu tun?

Ganz viel!

Gefühle sind das zentrale Element, weshalb Menschen kommunizieren! Ja, auch wenn autistische Menschen empfinden, dass sie vielmehr und deutlich stressfreier über reine Fakten und Sachinhalte sprechen können als über „Gefühls-Blabla“, so ist es dennoch – und ich sage: AUCH BEI AUTISTISCHEN MENSCHEN – der Grund ihrer Kommunikation. Denn weshalb sollte ein Mensch überhaupt mit anderen kommunizieren wollen, wenn nicht, um irgendetwas zu erreichen/ um ein inneres Bedürfnis zu befriedigen/ um der Erfüllung eines Bedürfnisses einen Schritt näher zu kommen…? Ja, auch bei Menschen mit Autismus, die zunächst auf einer Sachebene mit anderen Menschen sprechen, können wir folgendes herleiten:

  • Wir fragen nach dem Weg, WEIL wir an unser Ziel kommen wollen, WEIL dieses Ziel etwas ist, das wir uns ausgesucht haben oder es auf eine andere Art für uns wichtig ist, dort hin zu gelangen. Also fragen wir nach dem Weg und bitten um Hilfe, weil wir uns letztlich gut fühlen wollen.
  • Wir bestellen im Restaurant ein Essen und sprechen dazu zweckmäßig mit der Bedienung, WEIL wir Hunger haben oder Lust auf ein gutes Essen, WEIL wir unser Bedürfnis nach Essen und/oder Genuss befriedigen wollen. Also bestellen wir das Essen, weil wir uns letztlich gut fühlen wollen.
  • Wir sprechen mit einem Freund über unser Spezialinteresse – und tun das umso lieber, wenn wir beide dasselbe Interesse teilen und uns so richtig begeistert darüber austauschen können, vielleicht WEIL wir gern in diesem Thema noch mehr dazu lernen, vielleicht weil wir gern unsere Freude mitteilen und uns das noch mehr freut, als wenn wir uns nur allein im stillen Kämmerlein darüber begeistern. – Also auch hier: selbst wenn es in monologhafte Redebeiträge mündet, so ist das innere Ziel: sich gut fühlen zu wollen.
  • Und tatsächlich selbst wenn wir etwas tun, das gar nichts mit anderen Menschen zu tun hat, wenn wir duschen und uns das gut tut, wenn wir schlafen, weil wir müde sind, wenn wir lesen, weil uns das Buch fasziniert… etc. – Dann tun wir all das immer nur deshalb, weil es uns gut tut. Weil wir dadurch ein gutes Gefühl bekommen oder mindestens ein negatives unangenehmes Gefühl abmildern können.

Diese Aufzählung mag für manchen nun vielleicht etwas unsinnig oder so glasklar sein, dass er sich wundert weshalb ich es hier so breittrete.

Aber es gibt Menschen mit Autismus, das müssen wir an dieser Stelle einfach einmal so beim Namen nennen, die haben noch nie die Gelegenheit bekommen, über dieses wichtige Thema in der Tiefe nachzudenken und ihnen fehlt vielleicht sogar bis ins Erwachsenenalter hinein das Verständnis für zwischenmenschliche Kommunikation – und vor allem, „weshalb es den anderen Menschen immer nur um Gefühle geht“ oder weshalb sie so viel Wert zu legen scheinen auf „all den nonverbalen Kram“.

Wir können nun festhalten:

  1. Gefühle und unser emotionaler Zustand zeigt den Zustand unserer Bedürfnisbefriedigung an und daher sind unsere Gefühle ein zentrales Merkmal, an dem wir erkennen können, ob es jemandem gut geht oder nicht.
  2. Jeder Mensch will sich wohl fühlen.
  3. Wenn wir Freunde haben und uns ein Mensch am Herzen liegt und wir ihn mögen, wünschen wir uns auch für diesen anderen Menschen, dass er sich wohl fühlen kann – und signalisiert er uns, dass er sich nicht wohl fühlt, so können wir in fragen, ob und wie wir ihm helfen können, damit es ihm besser geht.
  4. Gefühle werden von Menschen über Nonverbalität ausgetauscht.
    1. die Nonverbalität zeigt uns noch BEVOR ein Wort gesprochen wurde, wie es dem Menschen gehtdie nonverbale Ebene läuft IMMER PARALLEL mit dem gesprochenen Wort mit und zeigt uns auch dessen BEDEUTUNG und wie etwas gemeint ist (Stichwort: Ironie) – und hier finden wir sogar am Telefon Aspekte der Nonverbalität in Tonfall, Pausen, Sprechgeschwindigkeit, der ganzen Prosodie… usw.über nonverbale Signale senden Menschen normalerweise ganz intuitiv und automatisch Botschaften aneinander; zum Beispiel: „Ich habe Interesse an Dir, Du kannst mich gern ansprechen.“/ „Ich finde diese Situation, die wir hier gemeinsam erleben oder die ich hier mitteile scheiße/gut/langweilig/etc.“
    1. das heißt, es ist eine extrem breit gefächerte ZUSÄTZLICHE Informationsquelle und sie ERSETZT teilweise das gesprochene Wort oder zeigt auf dieser „parallelen Kommunikationsebene“ neben dem verbalen Inhalt viele WEITERE Informationen über den Sprechenden, dessen Befindlichkeit, dessen Stimmung, dessen Absichten, dessen Bewertung der Sache, dessen Interesse oder Desinteresse, dessen Ziele, dessen Verhältnis zum Zuhörer oder zu dem, was er gerade sagt… usw.
  5. neurotypische Menschen können ganz automatisch und ohne darüber nachzudenken, an den Gefühlen eines anderen teilhaben, der mit ihnen spricht – Sie spiegeln die Emotion des anderen in sich selbst und deshalb können sie auch „einfach Zeit miteinander verbringen“ ohne irgend etwas konkretes zu tun oder sie sprechen miteinander über scheinbar belanglose Dinge – WEIL sie allein durch die Nonverbalität in der Lage sind, sich gut zu fühlen, wenn der andere, mit dem sie Zeit verbringen, sich ebenfalls gut fühlt.
  6. Und Gefühle können sich vermehren, werden potenziert, wenn sie miteinander geteilt werden. Das ist wie eine sich selbst verstärkende Feedbackschleife – und deshalb sagt man: „geteilte Freude ist doppelte Freude“.

Ich hoffe, es wurde auch meinen autistischen Lesern nun etwas verständlicher, weshalb Menschen in der Regel solch großen Wert legen auf Nonverbalität und Gefühle und weshalb sie aus voller Überzeugung sagen: Der verbale Anteil an einer Kommunikation macht maximal 10% aus.

Es ist manchmal gar nicht wichtig, über WAS man sich unterhält, denn das reine miteinander Sprechen macht den Menschen bereits ein Gefühl von Freude oder zumindest erleben sie dadurch Kontakt und Verbundenheit, weil sie Kontakt durch gemeinsam geteilte Emotionen oder auch durch emotionales Berührtwerden durch die Gefühle, die ein anderer Mensch ihnen nonverbal mitteilt, spüren und genießen.

Und nun kommen wir zu dem essentiellen weiteren Thema auf dem Weg hin zu echtem Kontakt und wie man diesen als Mensch mit Autismus erleben kann: Emotionsspiegelung.

Dafür wird es einen weiteren Teil 3 der Serie geben.

Für dieses Kapitel sei abschließend folgendes Fazit gegeben:

Schlussfolgerung und WIRKUNG der Erkenntnis

Erst wenn wir zu verstehen beginnen, dass Nonverbalität wichtig und sehr bedeutsam ist, können wir in der Lage sein, sie auch sehen und erleben zu können. Weil wir HINSCHAUEN, weil es uns beginnt zu INTERESSIEREN und weil es eine Erkundungsreise zur „Welt der Neurotypen“ ist, zu deren „Kultur“ und deren Art zu leben – und es kann der Wunsch entstehen, TEIL ZU SEIN von dieser Welt, Teil zu sein und teilzuhaben an dieser wundersamen Gefühlswelt und dem, was es alles noch wunderbares zu entdecken gibt!

Und auch wenn da Traurigkeit entstehen kann in einem autistischen Menschen, weil er bemerkt, was ihm da wohl alles bisher durch die Lappen gegangen ist bzw. was alles irgendwie an ihm vorbei geflogen sein muss… – So kann zugleich eine große Freude entstehen auf das Neue und darauf, dieses Geschenk der Nonverbalität nun als jugendlicher oder erwachsener Mensch GANZ BEWUSST ENTDECKEN zu dürfen, statt es quasi in die Wiege gelegt bekommen zu haben und deshalb gar nicht so richtig darüber nachzudenken und es als gegeben hinzunehmen. Es kann eine solch große Freude und Dankbarkeit entstehen, dass man hier etwas ganz neu entdecken darf, das von den meisten Menschen nie in dieser begeisternden Art empfunden werden KANN, weil sie es gewohnt sind.

Ja, das ist ein Reframing. Ja, Du kannst sagen: ich rede es mir schön, weil ich dieser Behinderung wegen von einigen wichtigen Fähigkeiten und Automatismen im Hirn abgeschnitten war bisher.  – Aber bleiben wir ehrlich: Erstens hilft es tatsächlich nichts, über einen VERGANGENEN und noch dazu deshalb UNVERÄNDERLICHEN Fakt zu trauern (denn JA, es gibt die Möglichkeit, Kontakt erlebbar zu machen und „die Glaskugel zu durchbrechen“! …Meine Beitragsreihe hier wird Dir (m)eine Möglichkeit vorstellen, wie man zu mehr Zufriedenheit und nährendem Kontakt und Lebenszufriedenheit auch als autistischer Mensch finden kann) – und zweitens öffnet uns eine solche Umbewertung einer Tatsache unendliche Möglichkeiten und neues Potenzial, daran und damit weiter zu wachsen.

Es bleibt also spannend!

Und durch eine Öffnung für die Wunder der Welt und die Geschenke der Nonverbalität, wirst Du ganz leicht Zugang finden und Wege beschreiten können, diese Nonverbalität nicht wie eine ungeliebte Fremdsprache zu pauken, sondern Du wirst einen intuitiven Zugang dazu finden.

Noch eine positive Aussicht am Schluss –

Nonverbalität IST BEREITS IN JEDEM MENSCHEN angelegt.

Nicht nur in primitiven Zeigegesten oder Lauten wie ein Affe.

Sondern wenn wir uns anschauen, dass ja Menschen mit Autismus vielmehr MENSCHEN sind als ein „Inbegriff einer Störung“, so sehen wir, dass auch Menschen mit Autismus weinen, lachen, sich freuen… und dass es – wenn auch ANDERE Emotionen, z.B. Wut, Ärger, Ekel etc. nicht so klar mimisch und gestisch untermalt werden können oder sie nicht „deutlich“ gezeigt werden können – auch bei ihnen in diesen basalen Emotionen MIMIK GIBT im Gesicht. Wer weint hat eine andere Gesichts-Haltung als jemand, der lacht.

Und diese basalen Emotionen müssen auch Menschen mit Autismus, die sich tief im Spektrum befinden und die vielleicht sogar geistig behindert sind, NICHT trainieren. Sie sind ANGEBOREN.

Nun habe ich mich gefragt, weshalb gerade Freude/Lachen und Weinen diejenigen Emotionen sind, die ohne darüber nachzudenken mimisch und gestisch völlig normal wiedergegeben werden können – aber andere Emotionen, wie bereits angesprochen z.B. Ekel, Verachtung, Wut, Neugier usw. weniger bis gar nicht – oder nur sehr „künstlich wirkend“, da auswendig gelernt und geübt worden?

Wieso kann ein Mensch mit Autismus ohne Probleme lachen und weinen und Mimik dazu passend haben und anderes nur schwer oder kaum?

Was ist in diesen Emotionen der Unterschied?

Ich habe für mich eine Erklärung gefunden, die natürlich nur MEINE Spekulation ist, aber gern möchte ich sie Dir an dieser Stelle noch als letztes Kapitel anfügen, um Dir eine Idee und Möglichkeit zu geben, dies zu verstehen.

Warum Lachen und Weinen angeboren ist

Ich glaube, dies hängt mit unserer evolutionsbiologischen Entwicklung als Mensch zusammen, der in Sippen lebt und der auch (bis heute!) auf Kontakt zu anderen Menschen angewiesen ist. Als „biologische Frühgeburten“ kommen Babys immer total unreif und total abhängig von ihrer Bezugsperson und der Pflege, Ernährung, Wärme, Schutz und Kontakt zur Welt. Und genau WEIL wir als Baby so abhängig sind und noch nicht sprechen können, hat uns das Leben ein gigantisches Geschenk gemacht: Menschen per se können Emotionen und nonverbale Signale bei anderen automatisch dechiffrieren und tun das noch dazu gern und mit Freude – und mit nonverbalen Signalen kommuniziert jedes Neugeborene mit seiner Umwelt und teilt den anderen Menschen auch ohne sprechen zu können genau mit, was es braucht, um zu überleben.

Es schreit und es weint, wenn ihm etwas weh tut, wenn es Hunger („Schmerzen im Bauch“) hat oder ihm etwas eine Verletzung zugefügt hat oder wenn es Angst hat – eine basale Funktion, nonverbal.

Und es lacht, wenn ihm etwas gefällt und wenn es neugierig ist und die Welt um sich herum zu entdecken beginnt (das tut auch ein autistisches Kind, wenn auch manchmal sehr wenig, da es schon früh unter großem Stress steht durch mangelnde innere Halt gebende Strukturen und die Schwierigkeit im Außen in Beziehung zu anderen Halt gebenden Menschen zu kommen) – und auch das Lächeln und Lachen ist nonverbal.

Nun kann man sich fragen, weshalb es denn das Lachen braucht, um zu überleben. Weinen und Schreien, ok. Aber lachen?

Ich glaube, auch dies hängt mit unserer evolutionär bedingten totalen Abhängigkeit von der Sippe/ der Gemeinschaft zusammen. Mit einem Lachen kann ein kleiner Mensch Kontakt aufnehmen und in Resonanz gehen zu seinen Bezugspersonen. Und da die Bezugspersonen direkt (automatisch) auf diese positive Emotion reagieren und sich gleichsam gut fühlen, wenn sie sehen, dass es ihrem Baby gut geht, so stellt auch diese geteilte Freude (neben vielen anderen Mechanismen!) ein Band her, eine Bindung, die dem Kind dient, nicht einfach mal vergessen zu werden und damit dem Säbelzahntiger zum Abendessen zu werden… – UND es ermöglicht die Weitergabe der Kultur, der Sprache, all dessen, was die Eltern GERN und voller Liebe mit dem Kind teilen. Es stellt Sympathie her. Und Sympathie ist die Voraussetzung für ein liebevolles Umsorgtwerden.

Und natürlich zeigt ein zufrieden lächelndes Kindergesicht auch, dass es dem Menschen gerade gut geht und seine Bedürfnisse befriedigt sind. Es ist also das „grüne Licht“ der Bedürfnisspannung im Gegensatz zum „roten Licht“ des Weinens, wenn das Bedürfnis nicht erfüllt ist.

Und wieso ist das nun für uns in Bezug auf das ganze Thema Kontakt erleben und Nähe zu anderen Menschen fühlen lernen, so bedeutsam?

Weil es uns zeigt, dass

  1. JEDER Mensch bereits die Fähigkeit zu Mimik und Gestik hat – und das auch als autistischer Mensch in mindestens den basalen zwei Grundemotionen GANZ INTUITIV. – Entgegen der aktuellen wissenschaftlichen Meinung ist da also nicht ALLES anders im autistischen Gehirn, es gibt DOCH EINEN automatischen und intuitiven Zugang und unbewusste Verarbeitung von Mimik und Gestik!!! [Meine Meinung.] …und warum sollten wir diesen bereits in Dir vorhandenen Zugang nicht anknüpfen und erweitern können? Es geht. Auch ohne „reines stures Auswendiglernen von Mimik“.
  2. Auch Menschen mit Autismus können daher über nonverbale Kommunikation mit anderen in Verbindung treten/ sie aussenden – und sie daher auch empfangen. [WARUM das Empfangen und Spiegelung der Emotionen oft noch behindert oder blockiert ist, darauf gehe ich in Teil 3 dieser Beitragsserie ein]

Und nun freue ich mich, mit Dir gemeinsam auf die Entdeckungsreise zur Nonverbalität und zu einem wirklich genialen und glücklich machenden nährenden Kontakt zu anderen Menschen zu gehen.

Komm mit! Es bleibt spannend!

Quellenangabe

1 Prof. Dr. Gerald Hüther, Sind wir Kinder der Liebe, Vortrag 2015, URL: https://www.gerald-huether.de/mediathek-page/populaerwissenschaftliche-beitraege/inhaltliche-uebersicht/liebe/ (Abgerufen am 10.04.2023)

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